Man macht beim Film ja so einiges. Man schleppt Kisten und Kabel, fährt Sprinter und LKWs durch die Gegend, baut Zelte in die entlegenste Walachei und stellt Gasheizflaschen hinein, besorgt jedes Kostüm dreimal und wäscht jeden Abend riesige Ladungen Wäsche, schleppt tonnenweise Sperrholz irgendwohin und baut Sets, die nur von vorne echt aussehen, und so weiter. Seit ich beim Film angefangen habe, und das ist jetzt schon unfaßbar lang her, ich bin nämlich länger beim Film, als die Hauptdarstellerin meines letzten Films auf der Welt ist, fiel mir gerade auf, jedenfalls denke ich mir seit 1998: Wenn man schon mal diesen ganzen Apparat aufgebaut hat und die Schauspieler in Kostüm und Maske im eingeleuchteten Set stehen und der Tonangler die Tonangel drüber hält – dann könnte man doch eigentlich schnell noch irgendwas ganz anderes drehen. Irgendeinen Quatsch. Dann hätte man am Ende den ganzen Film zweimal. Und falls der primäre Film sich am Ende als Quatsch herausstellt, was ja zuweilen vorkommt, dann hätte man immer noch den sekundären, der von vornherein als Quatsch gemeint war. Diese Idee unterbreitete ich Jochen Laube, dem Produzenten von „3 Zimmer Küche Bad“, sein Name sei gepriesen, und er sagte: Oh ja, das machen wir. Aber was genau, erwiderte ich, machen wir? Jeden Take nochmal auf Schwäbisch? Nein, wir machen jede Szene nochmal als Gedicht. Ich schreibe einfach das Buch ein zweites Mal. Das ist höchstwahrscheinlich einmalig in der gesamten Filmgeschichte.
So geschah es. Das Schreiben dieser gedichteten Fassung erwies sich als erstaunlich viel Arbeit, ich saß nächtelang brütend am Schreibtisch, doch es ließ mich nicht mehr los, und wir zogen es durch. Der gereimte Film, der hierbei entstand, ist 40 Minuten lang und findet sich als Bonusmaterial auf der DVD. Man kann an diesem Film übrigens auch erkennen, was herausgeschnitten wurde und welche Szenen wir umgestellt haben, denn die Reimfassung enthält alles so, wie es im Drehbuch stand.
Die eigentliche Faszination aber, das wurde mir mittendrin erst klar, liegt darin, daß sämtliche Gemeinheiten und moralischen Bankrotterklärungen, die wir den Filmfiguren angedeihen lassen, im eigentlichen Dialog sorgfältig versteckt sind, während sie in dieser Version offen zutage treten. Man konnte sich Regieanweisungen eigentlich sparen, man mußte den Schauspielern nur die Reimversion in die Hand drücken, und alles war klar. Vielleicht ist es sogar der bessere Film, der hier entstanden ist. Wir haben mal mit dem Gedanken gespielt, ihn als eigenständiges surreales Werk beim Forum oder sonstwo einzureichen. Das machen wir nicht, aber hier kann man sich das Drehbuch herunterladen. Viel Spaß.
(Erst viel später erfuhr ich, daß Uwe Boll sowas in noch größerem Stil macht: Sein Film „Blubberella“ von 2011 ist eine durchgängige Comedy-Version von „BloodRayne – the Third Reich“. Uwe Boll hat mir also noch was voraus, und sei es nur ein Doktor in Germanistik.)
5 Responses to Mann und Frau / stehen im Stau.