Meine kürzlich veröffentlichte Kritik der Kritik bezog sich auf Gemeinsamkeiten in diversen Rezensionen zu „Heil“. Eingehende Textanalyse war es damit keine, denn die müßte sich ja mit einzelnen Texten befassen. Also reiche ich hiermit eine nach. Beispielhaft erscheint mir da die Kritik von Matthias Dell, die in der taz erschien. Im Anfangsteil referiert er vor allem die Handlung, ab dem Mittelteil fängt er an zu werten, und damit werde ich mich jetzt Stück für Stück auseinandersetzen. Wenn man das eingehend machen will, wird man allerdings ungefähr zehnmal so lang wie der Ausgangstext. Das als Warnung vorneweg. Los geht‘s.
In dieser Runde sitzt auch eine Regisseursfigur namens Dietrich Brüggemann (gespielt vom Regisseur Tom Lass), der prophylaktisch die Frage gestellt wird, die „Heil“ als Problem auf sich zukommen sieht: „Darf man über Nazis Witze machen?“ Die Antwort: „Ja, aber das Lachen muss im Halse stecken bleiben.“ Und wem das zu ironisch ist,
Erstens: Im Film heißt es nicht Nazis, sondern Neonazis. Der Unterschied ist mir wichtig. Nicht weil Neonazis keine Nazis wären, sondern weil der Film heute spielt. Zweitens: Prophylaktisch hieße, daß man irgendetwas am Eintreten hindern will. Ich gebe mich aber nun kaum der Illusion hin, daß nach diesem Dialogsatz jemand sagen wird: Darf man das? Aha, das hat er im Film ja schon beantwortet, okay, man darf also. Es geht also eher um die Abbildung von Diskursen, die ohnehin stattfinden werden. Und drittens ist das nicht ironisch, sondern die Position, die man in Deutschland zu diesem Thema am meisten hört. Die ich auch nicht für falsch halte. Nur für etwas abgedroschen. Schon Robert Gernhardt, auf den ich im letzten Text schon hinwies, bemerkte einst, daß wir Deutschen Komik nicht dann am höchsten schätzen, wenn sie saukomisch ist, sondern dann, wenn sie die Tragödie streift. Bei dem Thema muß es aber leider oft genug wirklich im Hals steckenbleiben (bei Nazis noch mehr als bei Neonazis). Wenn man Komik aber nicht vom Effekt, sondern von der anderen Seite, vom Mechanismus her betrachtet, was sowieso der bessere Ansatz ist, dann war mein Ansatz ein anderer, ich habe ihn schon sehr oft benannt, aber meinetwegen nochmal: Witze nur über Akte des freien Willens. Und nur über das, was in unserer eigenen räumlichen und zeitlichen Nähe ist. Deswegen auch nix mit der NS-Zeit. Da geht es nämlich um Millionen Tote. Wir reden dagegen von Deutschland, hier und jetzt.
der kriegt noch den selbstbezüglichen Satz hinterher: „Ich finde deutsche Filme eigentlich nie witzig.“ Derart imprägniert sich der Film gegen eine Kritik, die nur ihre Humorlosigkeit beweisen kann, wenn sie ihm vorwirft, er nehme nichts ernst. Genau, grinst „Heil“ dann, ich mach mich über alles lustig, sogar über mich selbst.
Nee, das war mir schon klar, daß der halbsmarte taz-Kritiker genau das denken und bemäkeln wird. Der Satz ist auch eher resignativ: Man weiß schon, was auf einen zukommt. Und übrigens bezieht sich dieser Satz weniger auf mögliche einzelne Kritiken, schon gar nicht auf den Vorwurf, nichts ernstzunehmen, sondern auf das pauschale Geschimpfe aufs deutsche Kino, das man aus Teilen der Journaille, aber vor allem aus der Youtube-Kommentarhölle kennt. Das rollt jedesmal unvermeidbar heran wie ein Eisenbahnzug. Der Fahrplan am Bahnhof macht sich ja auch nicht über sich selbst lustig, auch nicht über den Zug, sondern sagt einfach, wann der Zug kommt.
Diskursiv tritt Brüggemann mit seinem Rundumschlag gegen alle möglichen medialen Sprecherpositionen scheinbar die Flucht nach vorn an, tatsächlich ist das eine Bewegung aus der Defensive.
„Flucht nach vorn“ sagt man gemeinhin, wenn jemand bedroht ist und sich in einen Angriff flüchtet bzw. bewußt in die Bedrohung hineinrennt. Das ist ohnehin schon eine Bewegung aus der Defensive. Der behauptete Gegensatz ist somit keiner. Den beabsichtigen Sinn dieser Aussage kann ich aber ohnehin nicht klar identifizieren. Ich sehe es eher als Kreisbewegung. Whatever.
Denn relevant ist nicht die Frage, ob man über Nazis Witze machen darf, sondern wozu.
Die Frage, ob die Witze dann eigentlich lustig sind, finde ich auch nicht ganz unwichtig, aber prinzipiell stimme ich zu.
Und darauf hat der Film keine Antwort.
Doch. Es geht bei der Auseinandersetzung mit Deutschland im NS-Kontext immer um die Frage: Ist er noch da? Haben wir Gemeinsamkeiten mit Nazis? Inhaltliche, strukturelle, ästhetische, tonfallbedingte? Welche Anteile der deutschen Geistesverfassung, die Hitler ermöglicht haben, sind heute noch wach? Diesen Fragen widmet sich der Film. Und zwar in Form eines Plots, in dem Neonazis ungehindert bzw. mit Unterstützung zahlreicher Deutscher nach Polen marschieren. Jede Szene (na gut, fast jede Szene) folgt dieser Fragestellung. Für die Antworten, die der Film da findet, lasse ich mich gern kritisieren. Aber der Autor ist hier so sehr mit pauschalem Abtun beschäftigt, daß er sich selber die Sicht auf den Film verbaut.
Er ist das quengelnde Kind, dem die ernsten Gespräche der Erwachsenen zu langweilig sind, weil es lieber spielen möchte.
Inhaltlich habe ich das schon kommentiert, die verwendete Metapher nötigt mich zu einem kurzen Ausflug in den Sarkasmus. Jawohl, Herr Studienrat! Die ernsten Gespräche der Erwachsenen zu so einem ernsten Thema wie Deutschland darf man natürlich nicht mit Gequengel stören. Und Spielen ist sowieso verboten.
Das zeigt sich schon im Vorspann, der die Titelcredits zu dynamischer Musik und einem entsprechenden Nachrichtenbilderpotpourri in alle möglichen Schriften deutscher Nachkriegsgeschichte montiert: Da wird also ein Schauspieler im ikonischen Stil des RAF-Bilds vom entführten Arbeitergeberpräsidenten Schleyer annonciert. Grafisch betrachtet eine Mordsgaudi, bildpolitisch völlig hohl.
Ja, der gesamte Vorspann ist in diesem Stil gehalten. Wir verwandeln unsere Namen in Willy-Brandt-Plakate, Kristina-Söderbaum-Vorspanntitel und Volkswagen-Werbung. Bildpolitisch ist das nicht völlig hohl, sondern sagt: Dieser Film reitet durch alles, was einem zum Thema „Deutschland“ so um die Ohren und durchs Hirn fliegt, und wir, also unsere Namen, stehen nicht in einer zweiten Ebene davor, sondern sind Teil der ganzen Chose. Wir stecken da alle drin. Soviel zur Bildpolitik. Grafisch betrachtet ist es außerdem natürlich eine Mordsgaudi, wofür ich vielmals um Verzeihung bitte.
„Heil“ ist in diesem Sinne höchstens halbsmart. Alles, was der Film durch Tempo, Gags und Überschuss reinholt, geht ihm an Reflexionskraft ab.
Bitte belegen und untermauern. So kann ich nur auf gleichem Niveau erwidern: Stimmt doch gar nicht (oder halbsmarte Retourkutschen fahren, was weiter oben schon erledigt wurde). „Reflexionskraft“ scheint mir aber auf die Suche nach dem „Eigentlichen“, nach der „Aussage“ hinauszulaufen, zu der ich mich zuvor schon geäußert habe.
Intellektuell siedelt er auf dem Niveau seines Rausschmeißersongs „Splitter von Granaten“, in dem Adam Angst unspezifisch-indifferenziert Unbehagen ausdrückt (“Doch worum es gerade geht, wissen wir selbst nicht so genau“).
Falsch, der Song ist ausgesprochen spezifisch – er ist eine Aufzählung von ganz konkreten Dingen, die in der Welt gerade aus dem Ruder laufen, und kontrastiert das mit unserem immer noch ganz beschaulichen deutschen Alltagsleben („der Hunger in der Dritten Welt hat keine Relevanz, aber wichtig sind uns Petitionen gegen Markus Lanz“). Grundgefühl ist der Verdacht, daß es hier auch irgendwann knallen könnte. „Indifferenziert“ ist kein gebräuchliches Wort, man ist entweder indifferent oder undifferenziert. Ich schätze, der Autor meint das letztere, und entgegne: Undifferenziertes Unbehagen ist doch erstmal gar keine so schlechte Sache, sofern man es mit präzise beobachteten Einzelheiten untermauert. Den Zuschauer mit undifferenziertem Unbehagen nach Hause zu schicken scheint mir ehrlicher als ein großes Fazit zu ziehen und als Lösung zu präsentieren. Das fände ich nämlich etwas anmaßend (außerdem, seien wir ehrlich, würde es dafür doch von der Kritik erst recht Kloppe geben).
Brüggemann will wirklich nur spielen, mit „deutschen Befindlichkeiten“ etwa, was für Nazis, die Menschen umbringen, aber eine, vorsichtig gesagt, ulkige Kategorie ist.
Achtung, bodenlos platter Witz: Es handelt sich ja auch um einen Spielfilm. Ich finde, in der Doppelbedeutung dieses Wortes im Deutschen steckt eine gewisse Weisheit. Der abschätzige Vorwurf, man wolle nur spielen, zeugt aber auch von einer gewissen Ahnungslosigkeit zum Thema „Spiel“. Matthias Dell war anscheinend schon lange nicht mehr Kind, sonst wüßte er: Spiel ist existentiell und todernst. Sieht man doch schon jedes Wochenende beim Fußball. Und schließlich will ich gar nicht nur spielen (im Sinne von heiti-teiti-lari-fari-lustig-tralala). Sonst hätte ich das Umbringen von Menschen komplett aus dem Film rausgelassen. Es passiert aber in aller Brutalität. Mitten aus dem Spiel heraus. Und um die Textanalyse mal in aller haarspalterischen Konsequenz zu Ende zu führen: Worauf bezieht sich der Begriff „Kategorie“? Auf deutsche Befindlichkeiten oder auf das Spielen-wollen? Spiel ist keine Kategorie, sondern zum einen soziale Praxis (bei Kindern), zum anderen ein Ritual mit festgelegten Regeln (Gesellschaftsspiele und Sport), drittens ein Modus in der Annäherung an ein Thema. Letzteres dürfte gemeint sein. Der Autor will also vermutlich sagen, daß der Ansatz des Films angesichts der ernsten Materie frivol sei. Kommentar dazu siehe oben. Vielleicht will er aber auch sagen, daß das Lächerlichmachen von „deutschen Befindlichkeiten“ angesichts mordbereiter Nazis ein ulkiger (lies: gefährlich naiver) Ansatz ist. Das sehe ich anders, denn das eine hat mit dem anderen zu tun.
In einer Kritik für das inzwischen eingestellte
Ich geb‘s zu, wir waren nicht stark genug.
Magazin Schnitt lobte der Regisseur als Kritiker 2006 an Armin Völckers Kurzfilm „Leroy räumt auf“, der von ähnlich grobkomödialer Gegensätzlichkeit lebte wie „Heil“ (afrodeutscher Teenager verliebt sich in Frau mit Nazi-Brüdern), „die Nonchalance, mit der er dem sonst oft tonnenschweren Deutsche-Skins-Ausländer-Thema einfach eine lange Nase dreht“.
Endlich haut mir mal einer meine alten Texte um die Ohren. Darauf warte ich schon die ganze Zeit. Ich war jung, und Geld gab‘s eh keins. Es gibt aus dieser Zeit vermutlich Texte, für die ich mich heute in Grund und Boden schämen müßte, aber diesen finde ich weiterhin vertretbar. Der Kurzfilm war gut. Der Langfilm dann nicht mehr so, weil nämlich genau diese die Nonchalance im Kurzfilm bestens funktioniert, während ein Langfilm mehr Schwungmasse benötigt.
Manche mögen‘s leicht.
Das hat er auch als Titel über den ganzen Text gesetzt. Man kann dazu allerhand einwenden.
Mögliche Antwort 1: So ein postpubertäres Filmreferenzwortspiel erscheint mir angesichts mordbereiter Nazis eine, vorsichtig gesagt, ulkige Kategorie.
Spaß beiseite, mögliche Antwort 2: Ja, zum Beispiel Kurt Tucholsky, als er 1931 angesichts des heraufziehenden Naziterrors in Schweden saß und „Schloß Gripsholm“ schrieb. Das führt uns direkt in die….
Mögliche Antwort 3: Hier schwingt wohl mal wieder das fatale deutsche Mißverständnis mit, Komik, und Leichtigkeit immer nur als eine Art Luxusprodukt zu betrachten, das man sich leisten kann, wenn man keinerlei Probleme hat und steinreich ist. Dabei weiß jeder, der auch nur mal ein bißchen über den eigenen Großstadt-Intelligenzia-Tellerrand geguckt hat (dafür reicht schon Zivildienst, meine Güte), daß Humor gerade bei den Benachteiligten, Entrechteten und Geknechteten dieser Welt eine Strategie des Überlebens und der Selbstbehauptung ist.
Mögliche Antwort 4: Der Titel „Some Like it Hot“ ist affirmativ, er fordert auf: Nehmt euch daran ein Beispiel! Traut euch in die Hitze! Der Autor dreht hier (vermutlich unbewußt) die Implikation um, er mag es gern schwer und findet das Leichte zumindest verdächtig. Dem variierten Filmtitel verleiht er damit einen tadelnden Unterton und tut seiner eigenen Sache keinen Gefallen. Wirkt nämlich ein bißchen unsympathisch.
Mögliche Antwort 5: „Heil“ ist nicht leicht. „3 Zimmer Küche Bad“ war leicht.
Sosehr man sich an institutionalisierter Erinnerungsroutine stoßen kann – der Wunsch, dass es mit dem Thema „Nazis – Ausländer“ auch mal locker vom Hocker gehen könnte, ist auf seine Weise naiv.
Was ich dagegen naiv finde, ist erstens die Unfähigkeit, zwischen Signifikant und Signifikat zu unterscheiden. Der Autor erscheint mir die ganze Zeit wie ein Theaterbesucher, der auf die Bühne stürmt, um Macbeth am Morden zu hindern. Und naiv ist zweitens die Weigerung, das Grausige und das Groteske nebeneinander zu ertragen. Was doch einfach eine gesteigerte Variante der Banalität des Bösen ist. (Übrigens, kleiner Gruß aus der Küche, niemand hat diesen Film „locker vom Hocker“ gemacht. Eher schon todernst auf dem Bürostuhl.)
Deutlicher gesprochen: die Nachgeborenenversion des Schlussstrichwunschs.
Oh, das hat ja lang gedauert, aber da kommt er endlich um die Ecke, der gute alte NS-Relativierungs-Vorwurf. Hallo, Deutschland.
Man muss sich „Heil“ deshalb als Verfilmung einer mittelmäßigen Facebook-Debatte vorstellen: Alle möglichen politischen Positionen verwandeln sich in lustiges Geplapper, die vielen Promi-Freunde liken
Das bezieht sich auf die zahlreichen Gastauftritte, für die es aber einen anderen Grund gibt. Es ist derselbe wie bei den Vorspanntiteln: Du bist Deutschland. Wir stecken alle drin. Beispielsweise ein Johnny Haeusler, der in unseren Medien für etwas bestimmtes steht, verleiht der Rolle sowohl symbolisch (durch seinen Namen, falls man ihn denn kennt) als auch auratisch (durch seine Präsenz als Mensch) eine andere Qualität, als wenn es einfach irgendwer gewesen wäre. (Am Rande: Dieser leicht mißgünstige Unterton bei „die vielen Promi-Freunde“, den man auch in anderen Kritiken findet, der ist auch ziemlich, sorry, deutsch. Ich drehe seit Jahren nebenher viele Musikvideos für fast kein Geld, das tue ich aus Liebe und Enthusiasmus, aber ganz bestimmt nicht, weil man dadurch „Promi-Freunde“ bekommt. Und Kunze war ein Vorschlag von einer Schauspielagentur. Ich finde außerdem, daß das den Film reicher und welthaltiger macht, weil das alles ganz prägnante Typen sind. Könnte man sich doch auch mal freuen. Stattdessen läßt man Mißgunst walten.) (Ganz am Rande: Der Vergleich stimmt nicht, denn im typischen Facebook-Thread findet man zumeist nicht alle möglichen politischen Positionen, sondern nur eine einzige, alle stimmen einander zu und echauffieren sich über einen Gegner, der aber gar nicht anwesend ist. Pöbelschlachten gibt es eher in Blogkommentarspalten. Vielleicht meint er auch einen Spaziergang durch die Timeline, aber dann soll er das schreiben.)
und ratzfatz ist man da, worüber sich der Anfang noch lustig machen wollte – bei Hitler.
Was bitteschön soll das heißen? Im Rahmen des gewählten Bildes, also bei Onlinedebatten, ist es ja klar, da landet man schnell bei Hitler, aber im Rahmen der hier behaupteten Analogie zum Film wüßte ich jetzt mal ganz gern, wie ich den zweiten Teil verstehen darf. Beschuldigen im Film Leute sich gegenseitig, Nazis zu sein (so wie in Onlinedebatten)? Na klar, tun sie dauernd. Oder will Matthias Dell hier den Film selber in die NS-Ecke stellen? Und mir unterstellen, ich würde eine Schlußstrichdebatte fordern und wäre eigentlich wie Hitler?
Hallo?
Geht’s noch?
Wenn ja, dann dankeschön. Von genau dieser Idiotie handelt der Film. Proved my point.
Über Hitler wollte ich mich übrigens nie lustig machen. Nichts im Film deutet darauf hin. Wer das behauptet, ist böswillig oder hat im Film gepennt. Eigentlich wollte ich vor allem, daß alle Deutschen sich totlachen und dann von diesem Land nie wieder eine Gefahr ausgeht, weil alle tot sind. Und weil das wieder so ein Witz aus der Kategorie ist, bei der unser innerer Oberstudienrat gequält das Gesicht verzieht, versuche ich im letzten Absatz jetzt mal ein ernstgemeintes Fazit.
Die Diskussion über den Film erinnert mich an den alten katholischen Witz vom Pfarrer, der seinen Bischof fragt, ob er beim Beten rauchen darf. Die Antwort lautet: Natürlich nicht, das wäre respektlos. Ob man aber beim Rauchen beten darf? Na klar, beten darf man doch immer. Ersetzen wir mal „Beten“ durch „Nazis thematisieren“ und „Rauchen“ durch „Deutschland verarschen“, und schon hätten wir das Dilemma beim Kragen gepackt. Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, was man als primär und was man als sekundär begreift. Beim Thema „Nazis“ stehen wir automatisch stramm, auf eine immer noch ziemlich deutsche Art. Da verbietet sich jeder Witz, weil Witz ja immer mit überraschenden Bedeutungswechseln hantiert, und an so etwas darf man da noch nicht mal denken. Beim Thema „Deutschland“ ist dagegen jeder Modus erlaubt, da kennt der Witz keine Grenzen, da ist auch der hemmungslose Idiotenklamauk eigentlich sogar Pflicht. Ein Film über Nazis muß also strammstehen und die Hacken zusammenknallen vor der Wichtigkeit des Themas. Okay. Aber den wollte ich nie machen. Es ist nämlich ein Film über Deutschland, hier und heute, anhand von Nazis. Und der ging leider nur als schwarze Komödie. Sorry. Was ich dabei nicht bedacht hatte: „Nazis“ ist immer noch so ein Reizwort, daß es automatisch zum Primärreiz wird. Und schon macht es alles mit sich voll und verbietet jeden Witz. Wir sind in der Zwickmühle: Genau das, was bei „Deutschland“ erlaubt bis geboten ist (durch den Kakao ziehen, und zwar mit Respekt vor gar nix), verbietet sich bei „Nazis“. Lösbar ist es nur, wenn man die beiden Felder voneinander separiert, indem man Nazithemen in die dafür vorgesehene Nazischublade legt und bei der Bearbeitung in den Nazimodus schaltet. Und genau das erscheint mir falsch. Denn es ist doch viel relevanter und wichtiger, das Thema eben nicht abgekapselt zu betrachten, als separates „Thema“, das man „thematisiert“, zu dem man die vorgeschriebenen Betroffenheitsgesten absolviert, das man dann wieder beschließt und weiter sein Bier trinkt. Sondern als eine logische Konsequenz des größeren Themas „Deutschland“, die uns nie verlassen wird und immer wieder mal den Kopf hervorstreckt, auch wenn man eigentlich gerade an was anderes denken wollte. Ich finde, das ist das Gegenteil einer Schlußstrichforderung.
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