Foto: SWR, Benoit Linder
Tatort: Das ist unser Haus
Eine Baugemeinschaft findet eine Leiche nicht im, aber am Keller. Alte Konflikte und neue Streits brechen auf. Die Kommissare Lannert und Bootz geraten zwischen die Fronten und müssen sich fragen: Wie wollen wir miteinander leben, wie können wir miteinander umgehen und was kommt am Ende heraus?
Mit Richy Müller, Felix Klare, Christiane Rösinger, Oliver Gehrs, Lana Cooper, Desiree Klaeukens, Anna Brüggemann, Michael Kranz, Nadine Dubois, Kilian Jürgens, Eike Jon Ahrens, Sarah Bauerett
Drehbuch: Daniel Bickermann und Dietrich Brüggemann
Regie: Dietrich Brüggemann
„Dieser Tatort lässt vieles von dem Text dran, der scheinbar nichts mit der Sache zu tun hat und deshalb in anderen ARD-Sonntagabendkrimis abgeschnitten wird: die Momente, in denen Kommunikation scheitert oder man mal nichts zu sagen weiß. Was zum Baugruppenkomplex passt, weil der Versuch der gewaltfreien Kommunikation einer ist, in dem sich Sprache permanent selbst reflektiert. So zeigt sich Dietrich Brüggemann in seinem dritten Tatort nach dem Stuttgarter Stau und Murot und das Murmeltier von seiner besten Seite. Selbst das für den Regisseur typische Engagement von prominenten Laien (neben den bereits erwähnten auch Heinz Rudolf Kunze in einer Paraderolle) nervt nicht: Es stellt eben nicht nur die eigene Vernetztheit in der Welt von Musik und Medien aus, sondern bewirkt eine zarte Künstlichkeit, die zum Ton des Films gut passt (den Rest der Baugruppe spielen: Anna Brüggemann, Michael Kranz, Joseph Bundschuh, Eike Jon Arens).
Dass die Auflösung am Ende vielleicht nicht ganz so befriedigend ausfällt, wie der lange gehaltene Spannungsbogen automatisch verheißt, lässt sich schwer vermeiden. Aber es ist durchaus alles gut vorbereitet und dargelegt in Das ist unser Haus; nichts muss um des Effektes willen am Ende aus dem Hut gezaubert werden – und unmotiviert wirken einzig die beiden Radverfolgungen ums Karree.
So gelingt diesem Tatort etwas sehr Seltenes in der deutschen Komik – eine unterhaltsame, genaue, vor allem aber freundliche Form von Ironie für das Reden über Gefühle und Energien zu finden, die Probleme innerhalb der Gemeinschaft hervorrufen („Alles, was du sagst, ist Teil einer größeren Sache, die mir Angst macht.“).“
(Matthias Dell, Die Zeit, 17.1.2021)
Tatort: Murot und das Murmeltier
Kommissar Murot steckt in einer Zeitschleife fest und erlebt denselben Tag immer wieder von vorn. Jedesmal wird er erschossen und wacht wieder am selben Tag auf. Wie kann er aus dem endlosen Kreislauf entkommen? Und wie ist er überhaupt da hineingeraten?
Mit Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Christian Ehrich, Nadine Dubois u.v.m.
Buch / Regie / Musik: Dietrich Brüggemann
„Das ist besser als Bill Murrays Kino-Legende. Klüger. Ohne dieses Menschenläuterungsding der Hollywood-Schmonzette von 1993. Wird – angetrieben von Brüggemanns fabelhaft fetter Orchesterunterlage – nie langweilig, nie bitter, nie albern. Sondern bleibt auf hohem Niveau so brutal lustig wie im besten Sinne aufklärerisch für alle Beteiligten, uns in unserer „Tatort“-Schleife Gefangenen eingeschlossen. Ein Klassiker. Jetzt schon.“
(Elmar Krekeler, Die Welt, 17.2.2019)
„Bei der aktuellen Folge ist das anders, sie zerbricht die Konvention von innen. Sie ist just das, was neuen „Tatort“-Autoren und Regisseuren immer schon auf den Nägeln gebrannt haben muss und was sie sich zu versagen hatten: pure Selbstreflexion, die finale Durchstreichung. Jetzt könnten eigentlich auch Außerirdische einfallen. Also noch einmal: Darf man das? Die Antwort ist eindeutig: Wenn man es so gut macht wie Dietrich Brüggemann (Buch, Regie und Musik) und Ulrich Tukur als Kommissar Felix Murot, dann darf man alles. Also her mit den Außerirdischen (à la Lynch).“
(Oliver Jungen, FAZ, 16.2.2019)
Erstausstrahlung 17.2.2019, ARD
Tatort: Stau
Die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz ermitteln im Feierabendstau.
Mit Richy Müller, Felix Klare, Amelie Kiefer, Odine Johne, Rüdiger Vogler, Roland Bonjour, Julia Heinemann, Eckart Greiner, Folke Renken, Susanne Wuest, Deniz Ekinci, Jacob Matschenz, Sanam Afrashteh, Daniel Nocke u.v.m.
Drehbuch: Daniel Bickermann und Dietrich Brüggemann
Regie: Dietrich Brüggemann
Erstausstrahlung Sonntag 10.9.2017, 20h15, ARD
Autor und Regisseur Dietrich Brüggemann, der seine Karriere mit klugen WG-Komödien wie „3 Zimmer/Küche/Bad“ begann und zuletzt die lustvoll überreizte Neonazi-Satire „Heil!“ ins Kino gebracht hat, inszeniert auf Pointe, aber auch psychologisch präzise. Jede kleine Privathölle auf vier Rädern, in die Lannert und Bootz während ihrer Untersuchungen blicken, ist in sich schlüssig aufgebaut. Angefangen bei der Musik, die sich stets kommentierend oder entlarvend kontrapunktisch zu den Fahrern der überwiegend hochgerüsteten Automobile verhält: Zorn, Verzweiflung und Anmaßung in Dolby Surround. Die Figuren in „Stau“ (Co-Autor: Daniel Bickermann) sind knapp charakterisiert, führen im Ensemblezusammenspiel aber auf die zweite Ebene des Films. Das Paar, das ausgerechnet auf dem Weg zum letzten rettenden Therapeutentermin aufgehalten wird. Die Ballett-Mom, die in ihrer agilen Mütterlichkeit ein Monstrum produziert hat. Die brutal dynamische Managerin, die vom Rücksitz aus ihren Chauffeur drangsaliert, bis der das Weite sucht – alle diese Figuren fügen sich zusammen zu dem Bild einer Gesellschaft, die an ihrer eigenen Mobilität zu verrecken droht. Zu einem Requiem in D-Dur für die siechende Autorepublik Deutschland.
(Christian Buß, Spiegel Online)
Brüggemann macht also vieles richtig – neben Buch und Regie hat er auch die sparsam eingesetzte Musik komponiert. Die Klarinetten-Melancholie adressiert bei der Zuschauerin im Vergleich zum sonstigen Tatort-Geklimper spürbar andere Gefühle. Der Konservatismus der Form (Agatha Christie ist ja eine durchaus historische Referenz) wird mit Leben gefüllt. Das reicht mitunter bis ins Politische, wenn sich aufgrund des Staus schließlich die Vorstufe eines Mobs organisiert.
(Matthias Dell, Die Zeit)
Warum ist „Stau“ so ein außergewöhnlich guter Tatort? Zum einen, weil der Kriminalfall hier gar nicht so wichtig ist. Aber anders als sonst, wenn der Kriminalfall nicht so wichtig ist, steht auch nicht das Privatleben der Kommissare im Mittelpunkt. Stattdessen geht es um viele kleine Geschichten. Da sind zum Beispiel die Eheleute auf dem Weg zur Paartherapie, die nun im Auto genauso gefangen sind wie in ihrer Beziehung. Da ist der frustrierte Angestellte, der nach der Arbeit noch unbezahlt etwas für seinen Chef erledigen muss. Da ist der Fahrer, der von der Geschäftsfrau, die er chauffiert, ohne Unterlass runtergeputzt wird. Dietrich Brüggemann hat bei „Stau“ das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Er wiederholt hier, was ihm schon 2012 bei seiner Komödie „3 Zimmer Küche Bad“ über acht Freunde und ihre Wohn- und Liebesprobleme sehr gut gelungen ist: Er seziert Beziehungen, erzählt davon, wie sie entstehen, davon wie sie sich auflösen und vor allem, was dazwischen passiert.
(Luise Checchin, SZ)