Wer bist du? Wer seid ihr? Und was soll das alles?
15 Momentaufnahmen aus dem ganz normalen Leben und den Abgründen, die hinter der Realität lauern.


„So etwas wie Enge oder Beschränkung ist niemals das Problem eines Films von Dietrich Brüggemann. Auf unnachahmlich unerschrockene Weise nimmt der Mit-Initiator von #allesdichtmachen die bundesdeutsche Gesellschaft samt ihrer Talkshow-, Geschlechterdefinitions- und sonstigen Neurosen in den Fokus. „Nö“, so auch der Titel seines neuen Films, antwortet die Schauspielerin Dina, gespielt von Anna Brüggemann, die mit ihrem Bruder das Drehbuch schrieb, ihrem Freund (Alexander Khuon) auf die Frage, ob sie sich nicht doch lieber trennen wollten. Er habe nämlich das Gefühl, sagt er im Halbdunkel des Bettes, „wir ziehen hier ein Programm durch, was eine schweigende imaginäre Gruppe von uns erwartet“.
In 15 Tableaus, die mit überbordender Spielfreude ins Surreale abheben, entwirft Brüggemann den Lebenslauf einer Liebe. Diese bewährt sich durch vielerlei Krisen hindurch – ausgelöst vom gefühlskalten Schwiegervater (Hanns Zischler gibt den Patriarchen) und seiner gefühlsduseligen Frau (Isolde Barth), einem erwachenden und prompt moralisierenden Patienten auf dem OP-Tisch oder einem Kindergeburtstag im Kletterparadies, bei dem der kleine Ottokar keine Getreideprodukte verträgt. Es ist dieser Freigeist, der dem aktuellen deutschen Kino so not- wie auch wohltut.“
(Katrin Hillgruber, Tagesspiegel)

„NÖ ist ein Film voller bemerkenswerter Szenen, die unter die Haut kriechen, die lustig sind und teils richtig wehtun, die immer wieder voll ins Schwarze treffen. So auch die wunderbare Szene, in der es Regisseur Brüggemann mit einfachsten Mittel gelingt, die Tragik des Elterndaseins auf einen Punkt zu bringen: Er braucht dafür nicht mehr als seine beiden Hauptdarsteller, eine stinknormale Küche, zwei Weingläser, eine Bierflasche und, als wichtigstes Utensil: ein Babyphon. Teils fühlt sich dieser Film, der sich als eine kaum bestimmbare Mischung aus Satire, Dystopie, Gesellschaftskritik und Persiflage präsentiert, an wie eine Wurzelbehandlung.
Direkte Kommentare zur Corona-Politik sucht man vergebens (schon 2018 sollen die Dreharbeiten begonnen haben). Brüggemann aber kultiviert einen Ton, der sich absetzt vom restlichen deutschen Kinogeschehen, der stets bemüht ist um seine Andersartigkeit. Gleich der erste Dialog unterstreicht das: „Uns sind die selben Dinge egal, das ist das Wichtige“, heißt es dort. Auch Brüggemann und seiner wunderbaren Schwester Anna, die wieder toll schauspielert, scheint vieles von dem egal zu sein, was sich so etabliert hat im hiesigen Durchschnittskino.
Die Herangehensweise der beiden Geschwister, sie hat etwas sehr Erfrischendes – auch wenn sie nicht in jedem Moment dieses Films voll und ganz funktioniert. Schließlich ist es nicht zuletzt der Filmtitel selbst, der wie ein trotziges Statement wirkt: Mitmachen beim oft arg schablonenhaften, gefälligen deutschen Mainstream-Kino? Darauf hat Dietrich Brüggemann eine klare Antwort: „NÖ“. (Matthias von Viereck, RP)