Der Genderer und die Gendererin

Hey, ihr Nervensägen (generisches Femininum)! Ich wurde schon sehr oft als „Person“ bezeichnet (generisches Femininum). Gelegentlich auch als Koryphäe, Instanz, Eminenz, Zicke, Krawallschachtel oder Knalltüte. Hat mich nie gestört, im Gegenteil, ich fand es sehr erfreulich. Genauso wie wenn Frauen sich selbst in meiner Gegenwart als Zampano, Zeremonienmeister oder wütenden arabischen Mann tituliert haben. Ist alles schon passiert. Ich habe mich selber in geselligen Runden bestimmt auch schon als die Gastwirtin, Herbergsmutti oder Chefin vorgestellt. Andererseits wird unsere Sprache ja so nach und nach vom Englischen aufgefressen (at least that’s what’s happening in my head, asshole), da hinterläßt das geschlechtsneutrale „filmmaker“ Spuren der Verwüstung (weiblich), und daher ist es mir durchaus schon unterlaufen, dass ich eindeutig cis-hetero-weiblich-gelesene Personen im Singular als „Drogenhändler“ oder sowas bezeichnet habe. Vorbildlich erschien mir übrigens die Mitarbeiterin kürzlich im Bioladen meines Vertrauens, die einräumenderweise vorm Regal stand und im tiefsten Berliner Baß schnauzte: Mann, jeht mir dit heute allet wieder aufn Sack! Das war Self-empowerment in jeder Hinsicht. Schlagt euch zu diesem Thema also meinetwegen die Köpfe ein, aber nehmt vorher die Stöcke aus den Ärschen und verwendet die Stöcke dann als Waffe beim Kopfeinschlagen. Wenn die Köpfe alle eingeschlagen sind, dann sind sie vielleicht auch in der Lage, ein Prinzip als die einzig wahre Doktrin zu identifizieren und es völlig ohne Nachdenken (wie denn auch, Kopf ist ja eingeschlagen) durchzuziehen. Aber dann bitte wirklich konsequent. Dann hat man halt die Handwerker:innenvertreter:innen zu Besuch bei den Bürger:innenmeister:innen, und vielleicht sind bei diesem Spiel am Ende alle Teilnehmer:innen Verlierer:innen, aber da würde ich niemals gegen protestieren, sondern es nur sehr lustig finden. Falls aber noch uneingeschlagene Köpfe übrig sind, dann sind die vielleicht in der Lage, mit der ganzen Chose („die Chose“, feminin, Lehnwort aus dem Frz., Geschlecht wie im Original, anders als z.B. „die Tour de France“ vs. „le tour de France“) eleganter, spielerischer, musikalischer umzugehen, also so flexibel, daß der Text kein Stacheldrahtzaun wird. Das tue ich schreibenderweise eh schon immer, die deutsche Sprache hat da nämlich eine Sollbruchstelle oder eine Grauzone oder eine Problemzone oder Zellulite. Und das ist aber auch nicht meine nagelneue Erkenntnis. Das haben andere vor mir gedacht und getan. Wir stehen auf den Schultern von Riesinnen. Und in Deutschland eh immer auf den Schultern von Nazis. Es gibt Hitlerreden (bzw. Hitler*innenreden), in denen er die anwesenden „Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten“ begrüßt, weil auch Hitler gemerkt hatte, daß da irgendwas seltsam ist. Hitler wäre beim genaueren Nachdenken aber auch durchgedreht, denn es gibt da keine klaren Regeln oder Fronten (und Hitler mochte ja klare Fronten). Meine Freunde sind nur Männer, unter meinen Gästen sind dagegen auch Frauen? Ach nee, umgekehrt? Ist „der Mensch“ nicht eigentlich schon eine Frechheit? „Die Person“ dann aber auch? Warum ist der Fliesenleger ein Mann, der Wagenheber nicht, der Anleger aber schon, also zumindest der an der Börse, wobei das ja meistens Firmen sind, manchmal auch Privatanleger*innen, aber andererseits ist „die Firma“ ja auch weiblich, ganz im Gegensatz zum Bootsanleger, der ja bekanntlich ein Mann ist, ach Quatsch, jetzt bin ich verwirrt. Nur eins weiß ich sicher: „Beamtin“ ist einfach nur falsch, „Beamte“ ist nämlich eine verkürzte Aussprache von „der Beamtete“ bzw. „die „Beamtete“. Go figure. Sprache ist ein irrsinniger Irrgarten. Also macht, was ihr wollt, und habt Spaß, aber wenn ihr euch wirklich hinstellt und behauptet, ihr hättet ein universelles Prinzip gefunden, das ab sofort kategorisch durchzuziehen sei, dann beschwert euch nicht, wenn ich diese Konsequenz dann auch einfordere und mich hinterher über die Ergebnisse lustig mache. Ich habe mir übrigens geschworen, niemals einen Song zu schreiben mit einem Titel aus dem Musterbaukasten von der Sorte „Die Empathie (Liebe, Sorgfalt, Schönheit, Gehässigkeit…) ist weiblich“. Dann schon lieber „Das Mitgefühl ist ein Neutrum“ oder „Der WC-Reiniger ist männlich“. Das wären schöne Lieder. Und dann wäre da noch dieser Text, der behauptet, Gendern sei diskriminierend. Finde ich jetzt echt etwas problematisch. Aber ich bin ja auch ein Mann. Allerdings einer aus der Generation, die sich selber nie als „Mann“ sehen konnte, sondern immer nur als „Typ“. Diese herrliche Beobachtung habe ich aus einem Buch von Juli Zeh. Juli Zeh ist ein Schriftsteller, der die Kunst beherrscht, sich in die Herzen von Männer*innen, Frauen, Hunden und Pferden gleichermaßen einzufühlen. Davor knie ich nieder. Und zwar als Mann, Frau, Kind und Knallkopf.
Tschüssikowski und Bussi!
Eure Klatschtante vom Dienst.

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